Leben der Quallen
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Wahrscheinlich haben die meisten von uns bereits als Kind zum ersten Mal den Überrest einer Qualle am Strand gefunden. Häufig handelt es sich dabei um Ohrenquallen...
Die Ohrenqualle ist das Standard-Lehrbuchbeispiel für den Lebenszyklus der Schirmquallen. Und zwar durchlaufen die Scyphozoa (siehe unten) in der Regel einen Lebenszyklus mit zwei ganz unterschiedlichen Formen...
Für mich persönlich war es ein großartiges Erlebnis, als ich zum ersten Mal beim Schnorcheln auf ein großes Exemplar einer Leuchtqualle (Pelagia noctiluca) stieß...
Relativ häufig, also mindestens einmal im Jahr, begegne ich auch der Spiegeleiqualle (Cotylorhiza tuberculata)...
Eine Qualle, die nicht im Mittelmeer vorkommt, aber im Atlantik, der Kanalküste und in Nord- und Ostsee häufig ist, ist die Gelbe Haarqualle (Cyanea capillata)...
An einem Strand der Île d‘Oleron an der Atlantikküste habe ich bei zwei verschiedenen Gelegenheiten Überreste der Blumenkohlqualle oder Gelben Lungenqualle (Rhizostoma pulmo) gefunden, die auch im Mittelmeer vorkommt...
Auch die Kompassqualle (Chrysaora hysoscella), von der ich einen möglichen Überrest in Flensburg am Strand gefunden hatte, also an der Ostsee, kommt im Mittelmeer vor...
Ohrenqualle (Aurelia aurita)
Für die allermeisten Menschen dürfte der Anblick einer Qualle in der Nähe eines Badestrands ein unerwünschter Anblick sein. Quallen gelten als potentiell gefährlich, und – wenn sie in größeren Zahlen auftreten – als Plage. Und die Vorbehalte bestehen nicht ganz zu Unrecht: Manche Quallen sind sehr gefährlich und können Menschen verletzen, und in großen Zahlen können selbst harmlose Quallen sehr unangenehm werden. Zum Beispiel war das Wasser einmal an einem Strand der Île d‘Oleron am Atlantik, wo wir zum Schwimmen gegangen sind, voll von kleinen Quallen mit einem Schirmdurchmesser von 1 – 2 cm. Man konnte dort problemlos schwimmen, aber es war nicht unbedingt appetitlich, wenn einen bei jedem Schwimmzug etwas glitschiges an Händen, Armen und Beinen berührte! Es wurden auch schon ganze Strände aufgrund der Gefährdung durch Quallen gesperrt.
Quallen gehören zu den Nesseltieren, also zum Stamm der Cnidaria. Schon der Name verweist darauf, dass die Nesseltiere ein gemeinsames, hochentwickeltes und nur bei ihnen vorhandenes Merkmal besitzen, nämlich die Nematocysten oder Nesselzellen. Sie sind Bestandteil der äußeren Zellschicht, also des Ektoderms. Jede Nesselzelle besitzt eine Nesselkapsel, das komplizierteste Sekretionsprodukt des Tierreichs, und ist voll von Sekreten. Die Sekrete wirken neurotoxisch (Nervengift) und hämolytisch (blutauflösend). Sobald der Deckel der Nesselzelle durch einen Fremdkörper berührt wird, explodiert die Nesselkapsel und der stechende Nesselfaden entrollt sich schlagartig. Nach dem einmaligen Entladen muss die Nesselzelle ersetzt werden. ([Freye1991], [Weinberg2016])
Manche Quallen, so wie die Ohrenqualle, sind jedoch für uns Menschen harmlos, und selbst die weniger harmlosen sind faszinierende Geschöpfe, die unsere Meere schon viel länger bewohnen als es Menschen gibt, auch länger, als es landbewohnende Wirbeltiere gibt, und sogar länger als es Fische gibt. Es ist von einem Zeitraum von über 500 Millionen Jahren die Rede, wobei allerdings die präkambrischen quallenartigen Formen stammesgeschichtlich nicht zugeordnet werden können. Dagegen sind in Deutschland in den 150 Millionen Jahre alten Plattenkalken von Pfalzpaint die Fossilien aus der geologischen Jura-Periode mit der sehr seltenen Weichteilerhaltung klar den Schirmquallen zuzuordnen [Roeper1999].
Wahrscheinlich haben die meisten von uns bereits als Kind zum ersten Mal den Überrest einer Qualle am Strand gefunden. Häufig handelt es sich dabei um Ohrenquallen, die offenbar in unseren Meeren, am Mittelmeer wie auch am Atlantik, Ärmelkanal und Nord- und Ostsee, in Küstennähe am stärksten verbreitet sind. Als Schnorchler im Mittelmeer begegnen sie mir so gut wie nie, warum auch immer. Wenn ich sie gesehen habe, war es meistens in einem Hafenbecken, wo das Wasser ja nicht unbedingt am saubersten ist. In größeren Schauaquarien sind sie dagegen bekanntlich zu einem normalen Anblick geworden.
Die Ohrenqualle (Aurelia aurita) besitzt einen radialsymmetrischen transparenten Schirm, der bis zu 40 cm Durchmesser erreichen kann ([Weinberg2015]). Unter dem Schirm sieht man die charakteristischen hufeisenförmigen vier „Ohren“. Es handelt sich um die Sexualorgane. Sie sind bei männlichen Quallen – so wie im ersten Bild – weiß oder orange, und violett bei weiblichen Exemplaren – so wie im zweiten Bild ([Weinberg2016]). Auf der Unterseite, um den Mund herum angeordnet, befinden sich die vier großen oralen Tentakel oder Arme. Am Rand des Schirms befinden sich außerdem unzählige kleine Tentakel, wie im ersten Bild zu erkennen ist. Die Ohrenqualle lebt räuberisch und frisst alle Tiere, die kleiner als 1 cm sind, von der Fischlarve bis zum Einzeller. Sie schwimmt aktiv durch Kontraktionen ihres Schirms, ist aber dennoch an die Wasserströmung gebunden, weswegen man sie und die anderen Schirmquallen zum Plankton zählt. Die Ohrenqualle ist eine „kosmopolitische“ Spezies, denn sie bevölkert sämtliche Weltmeere. In der Ostsee übt sie Untersuchungen zufolge einen enormen Einfluss auf das Ökosystem aus. ([Bergbauer2017], [Weinberg2016])
Das obige Bild von Aurelia aurita habe ich im Hafenbecken von Flensburg aufgenommen.
Der Lebenszyklus einer Schirmqualle
Die Ohrenqualle ist das Standard-Lehrbuchbeispiel für den Lebenszyklus der Schirmquallen. Und zwar durchlaufen die Scyphozoa (siehe unten) in der Regel einen Lebenszyklus mit zwei ganz unterschiedlichen Formen. Die Qualle oder Meduse bildet die Form, die offensichtlich in Erscheinung tritt. Sie lebt im freien Wasser. Es gibt aber noch eine zweite, sessile Form, also eine Form, die fest am Boden haftet: Der nur wenige Millimeter große Polyp. Und zwischen beiden gibt es noch zwei Übergangsformen, die Planula und die Ephyra, die als Larven bezeichnet werden. Mit Larven werden in der Zoologie juvenile Stadien bezeichnet, und zwar, wenn die juvenile Form nicht einen „kleinen Erwachsenen“, sondern eine ganz andere Erscheinungsform bildet, aus der durch eine vollständige Umbildung, die Metamorphose, die adulte Form entsteht.
Die Qualle ist entweder weiblich oder männlich und besitzt Gonaden, also Eierstöcke oder Hoden, und gibt entweder Eier oder Spermien ins freie Wasser ab, um sich fortzupflanzen. Durch die Befruchtung der Eier entsteht eine Larve, Planula (Plural Planulae) genannt. Die Planula schwimmt durch das Wasser, um einen geeigneten Platz zu finden, um sich dauerhaft niederzulassen, besonders auf der Unterseite oder an den Seiten von Felsen. Die Planula durchläuft eine Metamorphose und bildet eine sessile (benthische) Form aus, den Polypen, der im Falle der Scyphozoa als Scyphistoma bezeichnet wird. Der Polyp ernährt sich carnivor von vorbeikommenden Organismen, also vom Zooplankton. Dieser Polyp produziert durch einen Prozess, der Strobilation genannt wird, neue Quallen über den Zwischenschritt der Ephyra. Dabei durchläuft das obere Ende der Scyphistoma eine neue Metamorphose in die Ephyra, die sich daraufhin von der Scyphistoma ablöst und in der Wasserströmung frei schwimmt, also pelagisch wird. Abhängig von der Spezies werden die Ephyra nacheinander oder gleichzeitig gebildet. Das Stadium von Planula zu Ephyra kann im Labor innerhalb von 92 Stunden durchlaufen werden ([Sandrini1983]). Die Ephyra entwickelt sich innerhalb von Wochen oder Monaten zu einer adulten Qualle.
Frage: Handelt es sich bei den beiden Formen um ein Eltern-Kind-Verhältnis zueinander? Genetisch gesehen ist die Planula ein Kind von zwei Medusen, jedoch besitzt die spätere Ephyra und die daraus resultierende Qualle das gleiche Genom. Also ist die Frage zu verneinen: Es handelt sich nicht um Generationen im Sinne von Eltern und Kindern. Der Begriff Larve wird hier also gleichwertig verwendet wie bei den Insekten, wenn man davon absieht, dass es bei den Scyphozoa zwei unterschiedliche Larvenstadien gibt.
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass wir Menschen so wie alle Wirbeltiere auch ein wichtiges Merkmal mit den Schirmquallen gemeinsam haben, und zwar die Ausbildung von Eiern und Spermien. Wenn Sie so wollen, handelt es sich um eine echte Zwischengeneration zwischen den Eltern und dem Kind, denn dabei wird ein haploider Organismus gebildet, also mit einem einfachen Chromosomensatz, aus dem durch die Befruchtung ein neuer, diploider Organismus hervorgeht, also mit dem doppelten Chromosomensatz. Dies haben wir sogar mit den Gefäßpflanzen gemeinsam!
Wenn Sie genaueres über den Lebenszyklus der Schirmquallen erfahren wollen, empfehle ich die Webseite von Mike Dawson, in englischer Sprache und mit Fotos auch von Planula und Ephyra. Ein wesentlich deutlicheres Bild von Scyphopolypen ist allerdings in [Weinberg2016] zu finden.
Leuchtqualle (Pelagia noctiluca)
Nachdem ich mit der Ohrenqualle auf das „Musterexemplar“ einer Schirmqualle eingegangen bin, möchte ich Ihnen hier weitere Quallenarten zeigen, die mir im Wasser und teilweise am Strand begegnet sind.
Für mich persönlich war es ein großartiges Erlebnis, als ich beim Schnorcheln zum ersten Mal auf ein großes Exemplar einer Leuchtqualle (Pelagia noctiluca) stieß, und Gelegenheit hatte, sie ausführlich zu beobachten, zu fotografieren und zu filmen. Es war ein größeres Exemplar, und wie sich herausstellte, war es an diesem Tag nicht das einzige in dieser Bucht. Ich selbst konnte dort mehrere von ihnen beobachten und aufnehmen, weitere haben meine Frau und mein älterer Sohn gefunden. Leuchtquallen kennen viele Menschen unter dem Namen „Feuerqualle“; dies ist jedoch keine präzise Artbezeichnung, sondern bezieht sich auf unterschiedliche Quallen, die die Fähigkeit haben, Menschen mit ihren Nesselfäden zu verletzen. Auch für die weitaus gefährlicheren Seewespen oder Würfelquallen (Carybdea marsupialis) ist dieser Name in Gebrauch. Für den Riedl zum Beispiel ist der Name synonym für die Würfelquallen. Leuchtquallen heißen so, weil sie zur Biolumineszenz fähig sind. Man kann sie unter günstigen Umständen in der Nacht im Meer leuchten sehen – eine Erfahrung, die ich leider selbst nicht gemacht habe.
Einzelnen Leuchtquallen begegne ich beim Schnorcheln auch sonst immer wieder einmal. In aller Regel handelt es sich dabei um kleinere Exemplare. Ich selbst hatte noch keine unangenehmen Erlebnisse mit ihnen, außer möglicherweise als Kind, aber mein älterer Sohn wurde einmal von einer verletzt, und die Begegnung hinterließ Narben, die ähnlich wie Brandnarben zu sein schienen, und monatelang zu sehen waren. Also bitte Vorsicht!
Bei meiner ersten ausführlichen Begegnung habe ich Pelagia noctiluca zuerst in ca. 1 m tiefem Wasser an einem Strand der Côte d‘Azur entdeckt. Das war interessant, aber noch nicht besonders aufregend. Schon spannender wurde es, als ich kurz danach ein Exemplar in tieferem Wasser über dem Neptungras schwimmen und dabei regelrechte vertikale Kehrtwendungen vollführen sah. Dabei kontrahierte sie regelmäßig ihren Schirm. Es handelte sich nach meinem ersten Eindruck und auch später nach ausführlicheren Recherchen und Betrachtung meiner Videos um ein ziemlich großes Exemplar. Die Schirmgröße gibt [Weinberg2015] zwischen 7 und 17 cm an, und bei meinem Exemplar lag sie sicher in der Nähe des oberen Werts. Die vier großen oralen Tentakel waren langgestreckt, um ein Vielfaches länger als der Schirmdurchmesser. Von den acht kleinen fadenförmigen Tentakeln waren zwei oder drei sehr lang und deutlich zu sehen, die anderen viel kürzer und nur manchmal sichtbar. Die längeren von ihnen waren teilweise mehr als doppelt so lang wie die großen Tentakel. Auf dem Schirm waren die vielen charakteristischen braunen und malvenfarbenen Flecken gut zu erkennen. Auch die vier verdickten Strukturen (auch Gonaden?) unter dem Schirm waren deutlich zu erkennen.
Dieses Exemplar näherte sich, während ich es beobachtete und aufnahm, einmal von unten her der Wasseroberfläche, durchstieß sie zu meiner Überraschung kurz, und kehrte dann in einem Bogen wieder in tieferes Wasser zurück. Die Qualle machte dabei einen sehr aktiven und zielgerichteten Eindruck.
Ich habe sie auch in Gruppen mit mehreren Exemplaren direkt unter der Wasseroberfläche zwischen Neptungrashalmen beobachtet. Es war stets faszinierend und spannend, ihnen bei ihren Manövern zuzusehen. Meine Frau und mein älterer Sohn entdeckten auch eine größere Gruppe zwischen Felsen direkt am Ufer.
Ich habe mehrere Minuten Videomaterial aufgenommen und Unmengen von Fotografien gemacht, und keine Aufnahme gleicht der anderen; jedesmal gibt es ein neues Detail und einen neuen Aspekt zu betrachten! Das hätte ich vorher so nicht erwartet!
Pelagia noctiluca hat übrigens eine Besonderheit in der Entwicklung im Vergleich zu anderem Scyphomedusen insofern, als es in der Entwicklung das Polypenstadium überspringt und direkt von der Planula zur Ephyra übergeht ([Rottini1983]).
Spiegeleiqualle (Cotylorhiza tuberculata)
Die Bezeichnung „Qualle“ ist genausowenig eindeutig wie die Bezeichnung „Feuerqualle“. Die Quallen, die hier zu sehen sind, gehören zur Klasse der Scyphozoa. Der Begriff wird in vielen – auch neueren – Büchern mit Schirmquallen gleichgesetzt, bedeutet jedoch wörtlich übersetzt Bechertiere, weswegen z.B. in [Freye1991] von Becherquallen die Rede ist. Weder die Seewespe noch die Portugiesische Galeere gehören zu dieser Klasse.
Fast alle hier gezeigten Quallen, insbesondere Aurelia aurita und Pelagia noctiluca, gehören zur Ordnung Semaeostomeae (Fahnenquallen) innerhalb der Unterklasse der Discomedusae (Scheibenquallen), jedoch zu drei verschiedenen Familien ([Daly2007]). Die Ausnahme bildet sogleich besprochene Cotylorhiza tuberculata, die zu den Rhizostomeae (Wurzelmundquallen) gehört, und zwar zur Familie der Cepheidae.
Pelagia noctiluca begegne ich jedes Jahr bei vielen Tauchgängen, meistens einzeln, manchmal auch mehreren gleichzeitig. Relativ häufig, also mindestens einmal im Jahr, begegne ich auch der Spiegeleiqualle (Cotylorhiza tuberculata), meist einem einzelnen Exemplar. Ich bin aber auch schon zweien auf einmal oder einer Spiegeleiqualle und einer Ohrenqualle gleichzeitig begegnet.
Diese Tiere sind sehr beeindruckend. Der Schirm der Qualle kann laut [Weinberg2015] einen Durchmesser von bis zu 35 cm erreichen, und das war sicher auch die Größe der Exemplare.
Auf den ersten beiden Bildern sind unterhalb des Schirms Begleitfische zu erkennen! Sie sind im Original etwas besser zu sehen. Der folgende Screenshot zeigt einen Ausschnitt aus dem zweiten Bild.
Bei den Begleitfischen handelt es sich typischerweise um Jungtiere gewöhnlicher Fische, die unter dem Schirm einer Qualle Schutz vor Fressfeinden finden. [Weinberg2015] nennt Trachurus, Boops, Senola als häufige Begleitfisch-Gattungen bei Rhizostoma pulmo, gibt jedoch keine für Cotylorhiza tuberculata an.
Im folgenden sehen Sie noch zwei Aufnahmen weiterer Exemplare:
Gelbe Haarqualle (Cyanea capillata)
Eine Qualle, die nicht im Mittelmeer vorkommt, aber im Atlantik, der Kanalküste und in Nord- und Ostsee häufig ist, ist die Gelbe Haarqualle (Cyanea capillata). Sie gehört in Nord- und Ostsee zusammen mit der sehr ähnlichen Schwesterart C. lamarckii und Aurelia aurita zu den häufigsten Quallenarten. Die beiden Arten der Gattung Cyanea können schmerzhafte Vernesselungen verursachen, also wieder Finger weg und aufpassen!
Dieses Bild von Cyanea capillata habe ich im Hafen von Campbeltown in Schottland aufgenommen.
Zum Beispiel im Gebiet von Skagerrak und Kattegat sind A. aurita, C. capillata und die eng mit letzterer verwandte Cyanea lamarckii die häufigsten Schirmquallen. Dabei ist es offenbar so – hauptsächlich gestützt auf Laborexperimente – dass A. aurita zu den Beutetieren von C. capillata gehört. Schirmquallen können also durchaus andere Schirmquallen fressen! Dies könnte dann ökologisch von Bedeutung werden, wenn A. aurita die Ausbreitung seiner eigenen Beutetiere kontrollieren sollte, oder wenn C. capillata die Ausbreitung von A. aurita kontrollieren sollte.
Blumenkohlqualle oder Gelbe Lungenqualle (Rhizostoma pulmo)
An einem Strand der Île d‘Oleron an der Atlantikküste habe ich bei zwei verschiedenen Gelegenheiten Überreste der Blumenkohlqualle oder Gelben Lungenqualle (Rhizostoma pulmo) gefunden, die auch im Mittelmeer vorkommt. Möglicherweise waren auch die vielen kleinen Quallen, mit denen ich – wie oben berichtet – schwimmend in Berührung gekommen bin, Exemplare dieser Spezies. Das habe ich bedauerlicherweise damals nicht genauer untersucht.
Der Schirmdurchmesser der Blumenkohlqualle hat laut [Weinberg2015] normalerweise einen Durchmesser von 20 bis 60 cm, kann aber manchmal bis zu 100 cm erreichen.
Wie Sie sehen, habe ich den Schirm mit meinen Fingern und auch mit den nackten Füßen berührt, ohne irgendeine Beeinträchtigung zu spüren. Diese Quallen stellen offenbar keine Gefahr für uns Menschen dar – denkbare allergische Reaktionen ausgenommen.
Was hätten Sie gedacht, wenn …
… Sie die Qualle zuerst so gesehen hätten wie im letzten Bild, von der Unterseite?
Beachten Sie den violetten Saum des Schirms! Deutlicher ausgeprägt ist er auch bei dem anderen Exemplar zu sehen.
Kompassqualle (Chrysaora hysoscella)
Auch die Kompassqualle (Chrysaora hysoscella), von der ich einen möglichen Überrest in Flensburg am Strand gefunden hatte, also an der Ostsee, kommt im Mittelmeer vor. Sie kann einen Durchmesser von 30 cm erreichen ([Weinberg2015]). (Ich besitze auch eine leider wenig detailreiche Aufnahme eines lebenden Exemplars, die ich deswegen hier nicht mit aufgenommen habe.)
Wie eingangs angedeutet, machen seit einigen Jahren Quallen durch massenweise Auftreten Schlagzeilen. [Morabito2015] zufolge wurden erste wiederkehrende Ausbrüche von massenhaftem Auftreten von Quallen schon seit der Mitte der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts beobachtet. Dabei erlitten viele Menschen Verletzungen durch Stiche. Zu unterscheiden sind solche mit giftigen Quallen wie Pelagia noctiluca und solche mit harmlosen Quallen wie Rhizostoma pulmo. Ein solcher Ausbruch ist zum Beispiel im April 2021 im Hafen von Triest aufgetreten: Il “bloom” di meduse in centro a Trieste. Beide Formen verursachen offenbar beträchtliche wirtschaftliche Schäden. Sie treten plötzlich auf und können genauso plötzlich wieder verschwinden, da die Quallen mit den Meeresströmungen verfrachtet werden. Nach [Holst2011] sind die Gründe für diese Massenauftreten nicht vollständig geklärt, es werden jedoch verschiedene vom Menschen verursachte Einflüsse diskutiert. Zu ihnen gehört die Überfischung der wichtigsten Nahrungskonkurrenten der Quallen, so dass diese bessere Entwicklungsbedingungen haben. Auch fördert die ansteigende Meerestemperatur das Wachstum und die Reproduktion dieser Tiere. Nach Reinhard Kikinger ist das Massenauftreten von Pelagia noctiluca seit 1976 auffällig; sie verbreitete sich seitdem in der gesamten Adria bis Griechenland, der Côte d‘Azur und dem Gebiet der Balearen.
Welche Quallenarten kann man im Mittelmeer antreffen?
Welche Quallen kann man im Mittelmeer hauptsächlich antreffen? Kikinger nennt fünf Arten: Pelagia noctiluca, Aurelia aurita, Chrysaora hysoscella, Cotylorhiza tuberculata und Rhizostoma pulmo, die alle auf dieser Seite behandelt wurden. Für die Nordseeküste nennt [Holst2011] Aurelia aurita, Chrysaora hysoscella, Cyanea lamarckii, Cyanea capillata und Rhizostoma octopus.
Gefährliche Quallenarten
Zum Schluss noch einige Anmerkungen zu den gefährlichsten Quallenarten. Im Mittelmeer kann man am Ende des Sommers der einzigen dort auftretenden Art der Würfelquallen oder Seewespen begegnen, nämlich der Mittelmeer-Seewespe (Carybdea marsupialis). Die Seewespen gelten als die gefährlichsten Quallen überhaupt, und [Weinberg2015] warnt nachdrücklich vor ihnen! Sie sind schnelle, ruckartige Schwimmer und können plötzlich die Richtung ändern. Ihr „Schirm“ ist annähernd würfelförmig (Name). Von manchen Seewespen-Arten ist es bekannt, dass sie komplexe Augen besitzen und ihre Umgebung wahrnehmen können. Inwieweit dies auf C. marsupialis zutrifft, weiß ich nicht. [Holst2011] bezeichnet sie aber als weniger giftig als die anderen Seewespen-Arten, welche im Tropengürtel, z.B. in Australien, auftreten. Bei solchen Arten, wie beispielsweise Chironex fleckeri, kann es zu tödlich verlaufenden Vergiftungen kommen ([Mebs2014]). Auch die Portugiesische Galeere (Physalia physalis), eine Staatsqualle, die aus einer Kolonie von spezialisierten Polypen (!) besteht, und die zur Ordnung der Siphonophora [Collins2009] gehört, ist aufgrund ihres Giftes sehr gefährlich. Es gibt Berichte von Todesfällen durch ihren Stich! Sie tritt jedoch eher an der Atlantikküste und kaum am Mittelmeer auf. Sie sind sehr markant aufgrund ihres violetten Segels, und können auch ans Ufer angeschwemmt werden. Dann ist größte Vorsicht geboten! In beiden Fällen ist im Falle eines Stichs unbedingt ein Arztbesuch anzuraten!
Ein interessantes, wenn auch für meinen Geschmack etwas zu reißerisch aufgemachtes Video zu Quallen findet sich auf youtube unter dem Titel 15 Incredible Jellyfish Species (abgerufen am 2023-07-27).
Zum Jagdverhalten der portugiesischen Galeere gibt es auch ein faszinierendes BBC-Video auf youtube, und zwar in den ersten fünf Minuten von Exploring the Underwater World, Blue Planet II, BBC Earth, mit David Attenborough als Sprecher! (Abgerufen am 2023-09-15) Das Video ist auch sonst sehr sehenswert!
Kurze Sequenzen von diversen Quallen, auch solchen, die hier behandelt wurden, finden sich in diesem youtube-Video: 5 animals that never sleep in the world. (Abgerufen am 2023-09-15) Haben Sie welche erkannt?